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Der Mikado

Eine Produktion
des Jungen Borbecker Musiktheaters
und des Gymnasiums Borbeck

Musik: Arthur Sullivan

Buch: William Gilbert

Original-Titel: The Mikado

Deutsche Fassung von Walter Brandin und Arno Assmann

Aufführungen am 26. und 30. März 2001
in der Aula des Mädchengymnasium Borbeck,
Essen

In Japan wird das Flirten mit der Todesstrafe geahndet. Das wissen auch die Bürger von Titipu, die den zum Tode verurteilten Co-Co zum Scharfrichter gewählt haben, denn „bevor der andere köpfen kann, ist er erst einmal selber dran“. So macht das Leben dann doch gleich wieder mehr Spaß! Yum-Yum ist gleich in doppelter Hinsicht Nutznießer dieser Freiheit, wird sie doch gleich von zwei Männern begehrt, von denen der eine Co-Co ist und der andere Nanki-Poo. Letzterer ist Sohn des Mikados (aber das weiß natürlich niemand …). Als dann ein Dekret des Mikados ankommt, worin dieser eine Hinrichtung anordnet, beginnen die Verwicklungen kompliziert zu werden. Die Ankunft der geheimnisvollen Katisha mit ihrem magischen Ellenbogen komplettiert das Chaos.

Inhalt

Erster Akt

Nanki-Poo zieht als wandernder Musiker durch Japan. In der Stadt Titipu verliebt er sich Hals über Kopf in Yum-Yum. Ihr Vormund Co-Co, Flickschneider von Beruf, hat sich aber selbst als Ehemann für Yum-Yum ausgesucht. Gebrochenen Herzens verlässt Nanki-Poo die Stadt und hört wenige Wochen später, dass Co-Co zum Tode verurteilt worden ist. Als er daraufhin freudig nach Titipu zurückkehrt, erfährt er jedoch von Pooh-Bah, einem hohen Staatsbeamten, der sämtliche Ämter der Stadt innezuhaben scheint, dass Co-Co selbst zum Henker und gleichzeitig auch zum Richter ernannt worden ist. Da nach einem neuen Gesetz des Mikado auf das Flirten die Todesstrafe steht, haben sich die Einwohner von Titipu dazu entschlossen, dem ersten Todeskandidaten den Posten des Scharfrichters zu vermachen, so dass niemand getötet werden kann, ehe sich der Scharfrichter selbst tötet.

Während Co-Co nun schon die Vorbereitungen für seine Hochzeit mit Yum-Yum trifft, gesteht Nanki-Poo seiner Angebeteten seine Liebe. Er eröffnet ihr, in Wirklichkeit der Sohn des Mikado zu sein und mit einer ältlichen Dame namens Katisha verlobt zu sein. Trotz gegenseitiger Liebesschwüre scheint es für Nanki-Poo und Yum-Yum keine gemeinsame Zukunft zu geben, schließlich steht Yum-Yums Hochzeit mit Co-Co unmittelbar bevor.

Dieser hat jedoch inzwischen ganz andere Sorgen. Der Mikado verlangt endlich nach einer Hinrichtung, schließlich gab es bisher in Titipu noch keine. Während Co-Co noch überlegt, wie er seine Haut retten kann, wird er Zeuge, wie sich Nanki-Poo aus Liebeskummer das Leben nehmen will. Co-Co kommt der rettende Gedanke: Er richtet Nanki-Poo statt seiner hin, im Gegenzug darf Nanki-Poo für einen Monat Yum-Yum heiraten. Dieser willigt ein. Als die erleichterten Bewohner der Stadt dies erfahren, bricht Katisha in die Freudengesänge – endlich hat sie ihren Verlobten ausfindig gemacht. Da sich die Einwohner jedoch „ihren“ Nanki-Poo nicht wegnehmen lassen wollen, muss Katisha unverrichteter Dinge abreisen. Nicht einmal das Inkognito Nanki-Poos kann sie aufdecken.

Zweiter Akt

Die Hochzeitsvorbereitungen für die Trauung zwischen Nanki-Poo und Yum-Yum laufen auf Hochtouren, als Co-Co durch Pooh-Bah auf ein weiteres Gesetz des Mikado aufmerksam gemacht wird: Wenn ein Ehemann geköpft wird, muss seine Frau lebendig begraben werden. Yum-Yum möchte unter diesen Umständen Nanki-Poo nicht mehr heiraten, der Deal mit der Hinrichtung scheint zu platzen. Doch der milde Co-Co, der keinen Menschen leiden sehen kann, will dem Glück der beiden Liebenden nicht im Wege stehen. Als sich plötzlich der Mikado ankündigt, beschließt Co-Co, die Hinrichtung nur vorzutäuschen und diese von Pooh-Bah im Rahmen seiner zahlreichen Ämter beeiden zu lassen. Nanki-Poo und Yum-Yum sollen das Land für immer verlassen, damit der Schwindel nicht auffliegt.

Dem hocherfreuten Mikado berichten Co-Co und Pooh-Bah nun von der Hinrichtung. Dieser ist mit Katisha angereist und auf der Suche nach seinem Sohn: Nanki-Poo. Umso erschreckter ist Katisha, als sie entdeckt, dass der Getötete ihr Verlobter ist. Der Mikado verkündet unterdessen, dass Co-Co und Pooh-Bah aufgrund der Tötung des Kronprinzen nun ihrerseits hingerichtet werden sollen – nach dem Mittagessen.

Co-Co versucht nun, Nanki-Poo zu überreden, doch in der Stadt zu bleiben und zu seinem Vater zu gehen, damit dieser erkennt, dass Nanki-Poo in Wirklichkeit lebt. Nanki-Poo willigt unter der Bedingung ein, dass Co-Co Katisha heiratet, damit Nanki-Poo seines Versprechens ihr gegenüber ledig wird und seinerseits mit Yum-Yum verheiratet bleiben kann. Mit größter Mühe gelingt es Co-Co nun, Katishas Herz zu erobern und heiratet sie auch prompt.

Als der Mikado nun zur geplanten Hinrichtung schreitet, erfährt er von Katishas plötzlicher Hochzeit und sieht sich schließlich seinem lebendigen Sohn gegenüber. Mit ein wenig Hilfe gelingt es Co-Co, den Mikado gnädig zu stimmen, der schlussendlich den beiden Paaren seinen Segen gibt.

Thomas Krieger

Fotos

Besetzung

CHORLEITUNGStephan Müller
MUSIKALISCHE GESAMTLEITUNGArne Kovac
  
Der ERZÄHLERMarc Weitkowitz
Der MIKADO von JapanThomas Krieger
NANKI-POO, sein SohnBjörn Huestege
KATISHA, Nanki-Poos VerlobteTanja Beyersdorf
CO-CO,Scharfrichter von TitipuStefan Asbeck
YUM-YUM, Co-Cos MündelViola Offele
PITTI-SING, Co-Cos MündelGaby Selke
PEEP-BO, Co-Cos MündelLena Frohne
POOH-BAH, ein hoher Herr mit vielen ÄmternCarsten Steffens
PISH-TUSH, ein EdelmannConrad Baege
Drei BEAMTE von TitipuJan Frohne, Sören Huestege, Thomas Krieger
SCHULMÄDCHENAngelika Baege, Melanie Hörnemann, Janine Liebsch, Kathrin Skowasch, Nadine Skowasch
  
CHORRobert Fabian Birg, Julia Broll, Sabine Drees, Anne Ehlers, Friederike Franke, Michaela Gehrke, Pascal Gehrke, Annica Grimm, Felice Haase, Annika Hartmann, Sarah Hartmann, Felix von der Heide, Anja Hörnemann, Christine Kalenborn, Sarah Kesper, Christina Klempel, Özlem Kursun, Janine Lachnicht, Miriam Landsberger, Margaretha Malek, Anna Petri, Ines Plappert, Olga Reißig, Christina Ritter, Jan Röer, Annika Rupp, Reyhaneh Scharifi, Annika Schreibert, Birgitta Schreibert, Mona Schweinsberg, Pia Sollmann, Alexandra Spoden, Julia Stegemann, Katrin Sternal, Rebecca Truglowski, Vanessa Truglowski, Stephanie Weber, Simone Westerhausen, John Wilber
  
KLARINETTEUlrich Louis
TROMPETEArne Reiß
VIOLINEGerald Angstmann
VIOLONCELLOChristiane Klapdohr
SCHLAGZEUGStefan vom Bruch
KLAVIERStephan Müller
  
KORREPETITIONBjörn Huestege
BELEUCHTUNGFrank Wilde, Jan Röer
TONAlexander Grün, Sven Oblau

Autor

Gilbert und Sullivan

Aus der Feder des Schriftstellers William Schwenck Gilberts und des Komponisten Sir Arthur Seymour Sullivan stammen zahlreiche musikalische Werke, die zu Lebzeiten der beiden als „Gilbert and Sullivan Comedy Operas“ regelmäßig herauskamen und im Savoy Theatre uraufgeführt wurden. Unter anderem bekannt auch in deutschsprachigen Ländern wurden neben dem „Mikado“ aus dem Jahre 1885 „The Pirates of Penzance“ (1880), „Patience“ (1881), „The Gondoliers“ (1889), „The Chieftain“ (1894) und „The Grand Duke“ (1896).

Gilbert wurde im Jahre 1836 in London als Sohn eines pensionierten Flottenchirurgen geboren. Im Alter von zwei Jahren wurde er in Italien von der Brigade entführt und nur zufällig freigelassen. Ansonsten hatte er eine normale Kindheit. Nach der Schulzeit ließ er sich beim Militär ausbilden und hatte das Ziel, als Offizier in den Krieg ziehen. Glücklicherweise machte er seinen Abschluss erst, nachdem der Krieg beendet war. 20 Jahre lang blieb er dennoch Mitglied beim Militär.

Im Anschluss an seine „Militärkarriere“ arbeitete er in einem Regierungsbüro, einen Job, den er verabscheute. Nachdem er eine Tante beerbt hatte, erfüllte er sich einen Wunsch und wurde Rechtsanwalt. Während seiner kurzen Zeit als Rechtsanwalt heiratete er die Tochter eines Armeeoffiziers.

Gilbert hatte schon in frühen Jahren gezeigt, dass er ein Talent für Esprit und Sarkasmus besaß. Ab 1861 trug Gilbert mit drastischer Kritik und nicht unterzeichneten humorvollen Versen zur Popularität des britischen Magazins „Fun“ bei. Einige seine Verse waren mit Karikaturen und Zeichnungen angereichert, die er mit „Bab“ unterschrieb. Einige der Figuren der Gilbert und Sullivan Opern wurden nach den Figuren dieser Zeichnungen angefertigt.

Von 1868 bis 1875 hatte Gilbert eine sehr fruchtbare Zeit, hauptsächlich, weil er zwei Stücke 1871 schrieb, die für ihn einen großen finanziellen Erfolg darstellten. In diesem Jahr arbeitete er auch erst mal mit Sullivan zusammen, auch wenn ihre Produktion kein Erfolg war. Dennoch arbeiteten beide 25 Jahre zusammen und produzierten in dieser Zeit 14 komische Opern.

1907 wurde Gilbert von Edward VII geadelt. Er starb 1911 im Alter von 74 Jahren beim Versuch, eine Frau vor dem Ertrinken zu retten.

Sir Arthur Sullivan wurde 1842 in eine sehr musikalische Familie hineingeboren. Sein Vater war Kapellmeister am „Royal Military College“. Noch bevor Sullivan zehn Jahre alt war, hatte er bereits alle Blasinstrumente der Kapelle ausprobiert und beherrschte sie. Er komponierte schon mit 8 Jahren eine eigene Hymne. Im Alter von zwölf Jahren wurde er als Chorknabe in die Royal Chapel aufgenommen, besuchte dann die Königliche Musikakademie in London und ging zur weiteren Ausbildung für drei Jahre an das Leipziger Konservatorium, wo Franz List Sullivans letzte „Dissertation“ hörte. Mit zwanzig kehrte er nach England zurück, wo er den „Tempest“ schrieb und dadurch bekannt wurde.

In den nächsten zehn Jahre war Sullivan Professor für Musik, Lehrer und Organist. Von 1876 bis 1881 war er Direktor der National Trainig School for Music, 1876 verlieh man ihm in Cambridge, 1879 in Oxford den Doktortitel ehrenhalber. Als führender Komponist betrachtet, hatte er viele einflussreiche Freunde in jedem Kreis der Gesellschaft und war auch bei vielen Monarchen in Europa beliebt. In dieser Zeit komponierte Sullivan Werke wie „The Light of the World“, „The Martyr of Antioch“, „The Golden Legend“ und „Ivanhoe“.

Sullivans erster Versuch einer komischen Oper war 1867 zusammen mit dem Schriftsteller F. C. Brunand. Von Ihnen stammen die Werke „Coy and Box“ und „The Contrabandista“.

Von 1871 bis 1896 produzierte Sullivan mit Gilbert 14 komische Opern. Von 1872 bis zu seinem Tod im Jahre 1900 litt er an extremschmerzhaften Nierensteinen und manche behaupten, dass er die schönste Musik komponierte, wenn er den größten Schmerz hatte. 1883 wurde Sullivan von Königin Victoria geadelt.

Mit dem „Mikado“ haben beide ein kleines Meisterwerk erschaffen, das sich ebenbürtig neben den Leistungen der klassischen deutschen und französischen Operette behauptet. Von dem außerordentlichen Erfolg des Mikado kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man hört, dass das Werk schon nahezu 9000 Mal in aller Welt gespielt worden war, als es, nur zwei Jahre nach der Londoner Uraufführung, 1888 in Wien erstmals erschien. Siebzehn reisende Operettengesellschaften waren in jenen Jahren mit dem „Mikado“ unterwegs.

Der Reiz des sehr fein gearbeiteten Stückes liegt ebenso in der leicht exotisierenden Zeichnung des launig gesehenen japanischen Milieus, in der oft bezaubernden Grazie der Musik und in ihrem Humor, dessen schalkhafte, englisch-trockene Eigenart sich in den verschiedenen Songs und Dialogen offenbart.

Thomas Krieger

Aus dem Programmheft

Foyer

Vorwort des Mikado

Hochverehrte Besucher,

im Namen meiner treuen Gefolgschaft und meiner unterwürfigen Untergebenen darf ich Sie herzlich in unserer schönen Stadt Titipu Willkommen heißen.

In dem zu Recht nach mir benannten Stücke werden Sie in den folgenden zwei Stunden neben mir die Bewohner der Stadt Titipu in meinem Reiche kennen lernen. Zweifellos erleichtern viele meiner für jede Lebenslage zu-rechtgeschnittenen Gesetze – erst vor kurzem habe ich das Justizsystem grundlegend reformiert – das Leben jedes einzelnen Einwohners. Sie werden selbst sehen und hören, wie gesetzestreu die Japaner in Titipu sind.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie gerne mit einigen meiner Gesetze vertraut machen: Handybesitzern droht bei Benutzung ihres „Spielzeuges“ während Theateraufführungen beispielsweise der Abschluss eines 5-Jahres-Festvertrages bei der Deutschen Telekom. Übermäßiger Alkoholkonsum wird mit einer weiteren Darbietung meines eigens für mich komponierten Songs bestraft. Unnötige Unruhe während der Aufführung beispielsweise mit dem Sitznachbarn könnte eine Mitspielverpflichtung beim nächsten musikalischem Projekt zur Folge haben.

Wenn Sie alle Gesetze beachten, steht einem vergnüglichen Abend nichts mehr im Wege. Ach ja, beinahe hätte ich das wichtigste Gesetz vergessen: Auf das Flirten steht die Todesstrafe!

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich mit einem einfachen „miya sama, miya sama, on n’mma no maye ni“

Ihr Mikado von Japan

Von der Tragik des Komischen und von der Komik des Tragischen

Nicht erst seit dem großen österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard wissen wir, dass es möglich ist, Tragik und Komik derart miteinander zu verbinden, dass sich die Grenze zwischen beidem bis zur Unkenntlichkeit verwischt, ohne dass es zu einer Einheit kommt.

Nun lassen sich die werke Thomas Bernhards schwerlich mit Gilbert & Sullivans vergleichen. Die Größe und Tiefe des Bernhardschen Welttheaters erreichen sie nicht. dennoch balancieren die beiden englischen Autoren in ihren Werken ebenfalls sehr geschickt mit der tragischen und komischen Ebene. „Der Mikado“ zeigt das vielleicht besonders deutlich. Zweifellos handelt es sich bei diesem Werk um eine Komödie, die grob betrachtet manchmal allzu platt daherzukommen scheint.

Beispielsweise kann man zurecht fragen, warum dieses Stück in Japan spielt; hat doch die Musik Sullivans etwa soviel mit Japan zu tun, wie Bizets „Carmen“ mit Gelsenkirchen. Mag sein, dass Japan einerseits den Textdichter Gilbert zum Erfinden von aberwitzigen Namen, anderseits den Komponisten Sullivan zum Erfinden vermeintlich japanisch anmutender Melodien angeregt haben mag. Mag auch sein, dass die beiden Autoren dem Geschmack ihrer Zeit folgen und deshalb exotische Themen verarbeiten, weil es dem Publikum gefiel. Es kann aber auch sein, dass der Schauplatz Japan nicht zuletzt deshalb gewählt wurde, um vom Heimatland England abzulenken. Denn der Beamtenstaat, den Gilbert & Sullivan in „Mikado“ beschreiben, hat direkten Bezug zum Beamtentum im damaligen England und kann durchaus als Kritik verstanden werden.

Diese Doppelbödigkeit zwischen Ernsthaftigkeit im Sinne eines kritischen Blicks, sei es auf den englischen Beamtenstaat, sei es auf einzelne handelnde Personen im Stück, zeichnet den „Mikado“ in besonderer Weise aus. Vertiefend möchte ich das an einer kurzen Musiknummer deutlich machen. Ziemlich am Ende des Stücks versucht der Scharfrichter Co-Co, quasi aus einer Notsituation heraus, die sehr aparte Katisha für sich zu gewinnen. Da er mit dem Dreschen von Gedichtversen bei ihr nicht ankommt, besinnt er sich auf die Macht der Musik. Co-Co singt das sogenannte „Titwillo-Lied“. In diesem Lied geht es um einen kleinen Vogel, namentlich um einen Zaunkönig, der vor Liebe zu einem Zaunkönigweibchen Selbstmord begeht. Ein Musterbeispiel für Tragikomik. Die Musik nimmt ihrerseits darauf Bezug. In einem sehr ruhigen As-Dur entrollt Co-Co seine Geschichte mit der Einfachheit und Selbstverständlichkeit, ja fast Unverbindlichkeit eines Volksliedes. Und gerade diese Einfachheit lässt den äußerst komischen, da unerwarteten Höhepunkt des Liedes erschreckend tragisch erscheinen.

Wie äußert sich diese Tragikomik in den Figuren?

Die Tragikomik bezieht sich fast ausschließlich auf Situationen und Figurenkonstellationen, fast nie auf einzelne Personen. Die meisten handelnden Figuren sind eigentlich weniger Charaktere als Typen, in einem durchaus positiven Sinn. Denn es sind stark individualisierte Typen, aber mit wenig Tiefe. Der einzige wirkliche Charakter in diesem Stück ist Katisha. Nie ist Sullivans Musik so reich, so farbig, so differenziert, wie wenn er für Katisha schreibt. So zum Beispiel bei ihrem furiosen ersten Auftritt am Ende des ersten Aktes oder während ihrer Arie im zweiten Akt. Man könnte meinen, dass Gilbert & Sullivan für Katisha besondere Sympathie empfunden haben. Sie ist die einzige Person auf der Bühne, bei der die Zuschauer und Zuhörer eine Chance haben, mitzufühlen. Im Gegensatz zu Katisha wirken alle übrigen Personen wie Witzfiguren, was sicherlich beabsichtigt ist. Aber auch Katisha ist keine wirklich tragische Figur. Auch sie wird ironisch beleuchtet, etwa dadurch, dass sie über einen magischen Ellenbogen verfügt. Die ironischen Brechungen beziehen sich aber im Gegensatz zu allen anderen Figuren eher auf körperliche Dinge, als auf das, was sie sagt oder tut. Vielleicht ist es zu spekulativ, aber möglicherweise ist Katisha die einzige, die für ihre Situation nichts kann, die sozusagen ein mehr oder weniger unschuldiges Opfer ist. Alle anderen Personen scheinen an ihrer Situation eher mehr als weniger selbst schuld zu sein.

Dennoch lässt sich bei Gilbert & Sullivan nie genau festlegen, wo die Komik endet und die Tragik beginnt. Es ist auch nicht wichtig, die Entscheidung zu treffen. Der große Wert der Tragikomik liegt darin, dass Tragik und Komik sich zur gleichen Zeit auf ein und dieselbe Sache beziehen können.

Björn Huestege

Presse

Vergnügtes Spiel mit dem Mikado

Junges Borbecker Musiktheater glänzte mit komischer Oper im MGB

So einfach wird das Leben schwer. Man muss nur so einen Herrscher haben, wie den Mika­do, frisch verliebt sein und schon steht die Katastrophe ins Haus. Doch keine Bange: Zum guten Schluss wird alles gut.

Mehr soll hier über die junge Lie­be zwischen Yum-Yum und Nanki­-Poo, über das giftige Intrigenspiel Katishas, über den Henker, der kein Blut sehen kann (das aller­dings könnte ihm den Kopf ko­sten!), und den gestrengen Mikado, der sich einen Haufen skurriler Ge­setze nebst entsprechender Strafen für sein Volk ausgedacht hat, nicht verraten werden. Schließlich gibt es noch eine Vorstellung des jun­gen Borbecker Musiktheaters in der Aula des Mädchengymnasiums.

Die Oper aus der Feder der bei­den Briten Sir Arthur Sullivan (Mu­sik) und William S. Gilbert (Buch) bietet alles, was das Herz begehrt, und was das Schönste ist: die jun­gen Sängerinnen und Sänger, Mi­minnen und Mimen machen ihre Sache wirklich gut. Da sind der un­glücklich, glücklich verliebte Nan­ki-Poo, vom stimmgewaltigen Björn Huestege verkörpert, und Yum-Yum, die Nachtigal unter den Mitgliedern des Jungen Musikthea­ters und das Objekt der Begierde (bravo, Viola Offele!). Da sind Ka­tisha (Tanja, Beyersdorf überaus überzeugend als eifersüchtige Ver­lobte) und Co-Co, der arme Wicht. Nicht zu vergessen Pooh-Bah (Gar­sten Steffens), der sehr glaubwür­dig den hohen Beamten darstellte und vor Wichtigkeit beinahe platz­te, und der Erzähler (Marc Weitko­witz), der mit seinem britischen Humor der Oper eine besondere Würze verlieh. Und da sind all die vielen anderen, die ihr Bestes ga­ben am Premierenabend.

Die musikalische Gesamtleitung hatte Arne Kovac, der stilvoll mit Fliege und Smoking gekleidet er­schien, als würde er die Berliner Philharmoniker dirigieren. Und Ul­rich Louis (Klarinette), Arne Reiß (Trompete), Gerald Angstmann (Violine), Christiane Klapdohr (Violoncello) sowie Stefan vom Bruch (Schlagzeug) versuchten auch – ganz unverdrossen – ein gro­ßes Orchester zu mimen. Doch trotz der kleinen Besetzung kamen die Musiker ganz groß raus. Am Klavier wurden sie von Stephan Müller, Lehrer am Gymnasium Borbeck, bestens unterstützt. Das Gymbo stellte übrigens auch den Opernchor.

Mit der Oper „Die Kluge“ von Carl Orff begann das Junge Borbecker Musiktheater 1991. Schüler, ehemalige Schüler und Lehrer des Gymnasiums Borbeck waren an dieser ersten Produktion beteiligt. Der Erfolg und die Freude an der Arbeit ließen die jungen Leute weitermachen und jedes Jahr ein anderes Stück erarbeiten. Die zweite Aufführung der komi­schen Oper ist am Freitag, 30. März, um 19 Uhr in der Aula des Mädchengymnasiums.

Der Eintritt kostet 10 DM, ermäßigt 5 DM. Kar­tenreservierung: ‚ 0208/ 38 99 561.

Borbecker Nachrichten vom 29.03.2001