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Faust

Tragödie in einem Prolog und vier Akten von Johann Wolfgang von Goethe

Überarbeitung von Oliver Schürmann unter Berücksichtigung der Oper „Margarethe“ von Charles Gounod

Aufführungen am 15. und 19. März 1999
in der Aula der Geschwister-Scholl-Realschule,
Essen
sowie am 16. Mai 1999
im Gemeindesaal der katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius,
Essen

Erzählt wird die Geschichte Fausts, der, des Lebens müde, einen Pakt mit dem Teufel schmiedet, der ihm versäumtes Glück der Liebe zurückbringen soll. Mephisto bringt Faust mit Margarete zusammen, einem naiven, jungfräulichen Mädchen. Beide verlieben sich ineinander, was nicht ohne Folgen bleibt. Der entrüstete Bruder Margaretens sieht daraufhin seine Familie entehrt und fordert Faust zum Duell. Wie dieses sowie die Liebesgeschichte ausgeht, mag sich jeder selbst anschauen in dieser Produktion, die ein wenig an Gounods Operngeschichte angelehnt ist und in einer schonungslosen und symbolgeladenen Inszenierung den psychologischen Gehalt der Charaktere offen legt.

Inhalt

Prolog

Im Himmel

Mephisto, der Toten überdrüssig, geht mit dem Herrn eine Wette ein: Er darf sich bemühen, Faust vom rechten Wege herabzuführen, während der Herr überzeugt ist, dass sich jeder Mensch „des rechten Weges wohl bewusst“ ist.

Erster Akt

Fausts Studierzimmer

Nach jahrelangen Studien stellt Faust fest, dass alles sehr unbefriedigend war und er im Grunde nichts weiß. Er übergibt sich der Magie und will sich mit Geistern verbinden. Tatsächlich erscheint auch einer der angerufenen, der Faust jedoch nur verspottet. Noch von diesem Eindruck gefesselt, tritt Wagner, ein naiver Schüler Fausts, ein, um mehr von dessen Wissen zu profitieren. Nach diesem Gespräch kommen Faust wieder Zweifel über den Sinn seines Lebens und er hofft, sich mit einem Gifttrank seiner Qualen entledigen zu können. Im letzten Moment wird er jedoch von Chorgesängen daran gehindert, woraufhin er alles verflucht und in seiner Verzweiflung den Satan herbeiruft. Zu seiner Überraschung erscheint dieser sogleich und bietet ihm einen Pakt an: Mephisto will Faust auf Erden alle Wünsche erfüllen, im Gegenzug verkauft Faust seine Seele dem Teufel. Trotz seiner Zweifel lässt sich Faust auf diesen Handel ein.

Marktplatz

Bevor sie in den Krieg ziehen, feiern die Soldaten mit ihren Frauen und Freundinnen noch einmal ein großes Fest, unter ihnen auch Valentin, der seine Schwester Margarete allein zurücklassen muss, da die Eltern bereits verstorben sind. Er entschließt sich, Margarete in die Obhut Siebels, eines jungen Mannes zu geben. Mitten im Fest taucht Mephisto auf und versucht, sich auf seine Weise zu amüsieren. Faust hingegen interessiert sich nur für „das schöne Kind“, das ihm Mephisto vor der Vertragsunterzeichnung gezeigt hat, und tatsächlich taucht Margarete kurz danach auf, weist Faust jedoch erschrocken zurück. Mephisto will Faust auf dessen Drängen hin helfen, einen neuen Kontakt herzustellen.

Zweiter Akt

Garten

Siebel, der sich in Margarete verliebt hat, bringt einen Strauß Blumen an das Grab Margaretens Mutter. Mephisto will für Faust statt dessen eine Schmuckschatulle besorgen, damit dieser Margaretens Herz erobern kann. Tatsächlich scheint dies zu gelingen, denn Margarete und ihrer Nachbarin Marthe scheint der Schmuck zu gefallen. Damit Faust und Margarete sich näher kommen können, beschäftigt sich Mephisto mit Marthe. Tatsächlich geht der Plan auf, und schließlich verbringt Faust die Nacht bei Margarete.

Dritter Akt

Straße

Beinahe neun Monate sind vergangen und die hochschwangere Margarete dient nunmehr dem Gespött der Leute. Einzig Siebel hält noch zu ihr. Als die Soldaten vom Krieg zurückkehren, entdeckt Valentin, was mit Margarete passiert ist und macht ihr schwere Vorwürfe. Als dann Mephisto im Beisein Fausts Margarete durch ein „Liebeslied“ verspottet, fordert Valentin die beiden zum Duell. Dank des teuflischen Eingreifens Mephistos tötet Faust Valentin dabei, noch in seinen letzten Atemzügen verflucht er Margarete und ihr Verhalten.

Dom

Um ihr Neugeborenes zu taufen und vor dem Herrn Verzeihung zu erbitten, betritt Margarete den Dom. Doch Mephisto macht ihr solche Angst, dass sie schließlich in ihrer Verzweiflung ihr Kind ertränkt.

Vierter Akt

Walpurgisnacht

Mephisto führt Faust auf den Brocken, wo die Hexen und Geister ihr großes Fest feiern. Durch das Auftauchen Margaretens aber wird das Fest abgebrochen und Faust erkennt, in welches Elend Mephisto ihn und vor allen Dingen Margarete gebracht hat. Mephisto erklärt sich bereit, Faust zu Margaretens Kerker zu bringen.

Kerker

Faust will Margarete befreien, erkennt jedoch, dass diese inzwischen dem Wahnsinn verfallen ist. Trotzdem will er nichts unversucht lassen, sie zu retten, doch Margarete kann sich nicht helfen lassen. Mephisto will mit Faust fliehen, als der Henker auftaucht und seine Pflicht erfüllt. Noch während Mephisto triumphiert, erklärt der Herr, dass Margarete gerettet ist.

Thomas Krieger

Fotos

Besetzung

INSZENIERUNG UND BÜHNENBILDOliver Schürmann
GESAMTLEITUNGThomas Krieger
  
Dr. Heinrich FAUSTMarc Weitkowitz
MEPHISTOPHELESThomas Krieger
MARGARETEFrauke Krüger
SIEBELSören Huestege
MARTHE SchwerdtleinClaudia Rupp
WAGNERSimon Jakobi
VALENTIN, Margaretens BruderBjörn Huestege
FROSCHJörg Weitkowitz
BÄRBEL Frosch, dessen FrauAntonia Metken
LORENZ Frosch, deren SohnMartin Kiewit
WALDNERPhilipp Seibel
BRANDERBjörn Krüger
LIESE Brander, dessen FrauPamela Maler
DAVID Brander, deren SohnThomas Chrosch
ÄNNEAnnika Rupp
MARIERebecca Schnurre
KARLAKatrin Riehs
DER HERRJörg Weitkowitz
GEISTPhilipp Seibel
HEXENPamela Maler, Antonia Metken, Katrin Riehs, Annika Rupp, Claudia Rupp, Rebecca Schnurre
HEXERBjörn Huestege, Sören Huestege, Simon Jakobi, Björn Krüger, Philipp Seibel, Jörg Weitkowitz
HENKERBjörn Huestege
  
BELEUCHTUNGOliver Schürmann, Claudia Rupp
BAUTENBjörn Krüger, Jörg Weitkowitz, Marc Weitkowitz
KOSTÜMEGisela Rosenblatt, Hannelore Weitkowitz
FECHTSZENENKlaus Figge
SOUFFLEUSEClaudia Rupp
GARDEROBE UND GETRÄNKEVERKAUFAndré Remy, Heike Rupp

Autor

Johann Wolfgang von Goethe

Der aus einem wohlhabenden Bürgerhause stammende Goethe wurde am 28. August 1749 in Frankfurt am Main geboren. Er genoss eine sorgfältige und vielseitige Privaterziehung. „Sehr starken Eindruck“ machte dem Knaben das Puppentheater, wo er auch erstmals mit dem Faust-Stoff in Berührung kam. 1765 ging Goethe zum Jurastudium nach Leipzig, damals das geistige Zentrum der Aufklärung und des Rokoko in Deutschland. Seine ersten literarischen Werke (anakreontische Gedichte und Lieder; Schäferspiel „Die Laune des Verliebten“, 1767/68; Komödie „Die Mitschuldigen“, 1768/69) zeigen Goethe noch weitgehend als modischen Rokokodichter. 1768 kehrte er ins Elternhaus zurück und widmete sich vor allem dem Studium religiöser und mystischer Schriften. 1770/71 vollendete Goethe seine juristischen Studien in Straßburg, wo er sich allmählich von traditionellen Kunst- und Lebensanschauungen lossagte und zu einem neuen lyrischen Ton fand. Goethes Straßburger Kreis bildete die Keimzelle der neuen Geniebewegung des „Sturm und Drang“, die sich in gewissem Gegensatz zum aufgeklärten Rationalismus zu schwärmerischer Naturverehrung, uneingeschränkter Subjektivität und moralisch empörter Gesellschafts- und Adelskritik bekannte und einen enthusiastischen Freundschaftskult pflegte. Von 1771 bis 1775 lebte der junge Anwalt meist als „Wanderer“ im Hessischen.

Weithin bekannt wurde der junge Lyriker und Dramatiker vor allem mit seinem unorthodoxen Schauspiel „Götz von Berlichingen“ (1771 – 73), das durch nationalen Stoff, freie Form und geschichtsbewusst-lebensvolles Ethos den Beginn eines neuen Abschnitts deutschen Bühnenschaffens markierte. Über die Grenzen des deutschsprachigen Raums hinaus bekannt wurde auch der Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ (1774), der die im Selbstmord des Helden kulminierende innere Emanzipation des Individuums von gesellschaftlichen und religiösen Bindungen propagiert. Das Buch wurde zu einem europäischen „Bestseller“; das tragische Schicksal Werthers löste sogar eine Welle von Selbsttötungen aus.

1775 folgte das junge Dichtergenie einer Einladung des Herzogs Carl August nach Weimar, wo Goethe in den nächsten Jahren einige Hofämter übernahm und in einem Prozess schmerzhafter Selbsterziehung und disziplinierter geistig-seelischer Klärung zum repräsentativen Künstler seiner Zeit reifte. Goethes Weimarer Gedichte und seine in mehreren Stufen entstandenen Dramen gehören bis heute zum klassischen Kanon deutscher Literatur. 1786 brach Goethe ohne Vorankündigung nach Italien auf, wo er sich in produktiver Aneignung der antiken Kunst endgültig zum klassisch-humanistischen Menschen und Dichter wandelte („Römische Elegien“, 1788 – 90; Umwandlung der „Iphigenie“ und des „Tasso“ zu Versdramen; neue Hinwendung zum „Faust“-Stoff). Von 1788 an lebte Goethe mit seiner jungen Frau Christiane Vulpius wieder in Weimar, wo er bald Leiter des Hoftheaters wurde (1791 – 1817).

Seit 1794 war Goethe eng mit Friedrich Schiller befreundet, der wie er nach „klassischer“ Dichtung und Ästhetik strebt und durch den Goethe seine dichterische Sendung als eine ihm auferlegte überindividuelle Pflicht bewusst wird. Neben Gedichten und Balladen, Novellen, Dramen und naturwissenschaftlichen Schriften entstehen in den Jahren bis zu Schillers Tod (1805) der bürgerliche Bildungs- und Erziehungsroman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ (1794 – 96) sowie das Versepos „Hermann und Dorothea“ (1796/97) und der erste Teil des „Faust“ (1790 – 1808). Nach Schillers Tod lebte Goethe zurückgezogen im Kreise seiner Familie und einiger weniger Freunde. Figuren, Handlung und Sprache seiner Werke tendieren nun zum Bedeutenden und Symbolhaften („Altersstil“). Sich selbst historisch sehend, schreibt Goethe die Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ (1808 – 13; 1831), arbeitet an einer „Farbenlehre“ (1810) und am Roman „Die Wahlverwandtschaften“ (1807 – 09), dessen innere Struktur und Aussage sich mit der romantischen Naturphilosophie F. W. Schellings berühren. Trotz romantischer Züge im eigenen Spätwerk ist Goethes Verhältnis zu den jungen Romantikern nicht frei von Kritik und Distanzierung.

Sein starkes Interesse an orientalischer Kultur und die Begegnung mit seiner „Suleika“ Marianne von Willemer führen zur Gedichtsammlung „Westöstlicher Divan“ (1814 – 19). Aus dem literarischen Schaffen des hochangesehenen alten Goethe seien nur der Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ (1807 – 21; 1829), die „Marienbader Elegie“ (1823) und der zweite Teil seines „Faust“ (vollendet 1825 – 31) genannt. Goethe verstarb am 22. März 1832 in Weimar.

Aus dem Programmheft

Foyer

Verehrte Zuschauerschaft,

ich freue mich, Sie heute Abend als Gast des Theater Laien begrüßen zu dürfen.

Wir möchten Ihnen heute Abend eines der wohl bekanntesten deutschsprachigen Theaterwerke präsentieren, nämlich Goethes „Faust“. Wie viele Interpretationen sind seit der Uraufführung wohl auf den verschiedensten Bühnen aufgeführt worden? Und unsere Aufführung wird da sicherlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.

Dennoch oder gerade deshalb war es für uns eine große Herausforderung, dieses Stück bühnenreif einzustudieren. Oliver Schürmann schnitt das Stück mit Hilfe der Oper „Margarete“ von Charles Gounod auf unsere Verhältnisse zurecht und legte hier insbesondere auf die Liebesgeschichte zwischen Faust und Margarete sowie den Pakt zwischen Faust und Mephisto die Schwerpunkte.

Auch das von ihm entworfene und von einigen Darstellern unter der Leitung von Marc und Jörg Weitkowitz hergestellte Bühnenbild weicht von dem bisheriger Stücke deutlich ab: Die Bühne ist dreigeteilt und in den Farben Schwarz – Grau – Weiß gehalten, das Bühnenbild besteht im Wesentlichen aus 20 (ebenfalls farbigen) Stühlen (mehr dazu an anderer Stelle des Programmheftes).

Auch wenn meine mit diesem Stück verbundenen hohen Erwartungen sicherlich nicht alle erfüllt werden konnten, so denke ich doch, dass wir Ihnen heute Abend wieder einmal einen unterhaltsamen und zum Nachdenken anregenden Abend präsentieren können, an den Sie hoffentlich noch lange zurückdenken werden.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei allen an diesem Projekt Beteiligten für ihre Arbeit und ihr Engagement bedanken, und natürlich auch bei Ihnen, die Sie sich das Ergebnis unserer fast zehnmonatigen Arbeit ansehen und mit Ihrem Applaus würdigen.

Thomas Krieger, Gesamtleiter

Gut – Böse, Weiß – Schwarz

Sicherlich gibt es viele Herangehensweisen an ein Stück wie Goethes Faust. Man mag den Pakt Mephisto – Faust in den Vordergrund stellen, die Naivität Gretchens oder den Satanismus Mephistos. Für viele ist die Wette Mephisto – Herr das Wichtigste, für andere die romantische Liebesgeschichte Faust – Margarete, und ganz anderen ist das ganze Drama schnuppe, aber sie müssen es lesen, weil es in der Schule verlangt wird (dazu gehöre ich, sogar 2x, und ich hatte es damals nie ganz gelesen).

Nun habe ich jedoch einen ganz zwanglosen Zugang zu den Dingen, und mich hat vor allem die Psychologie der Hauptcharaktere fasziniert, vor allem, da die Hauptagierenden zum einen sehr unterschiedlich sind, zum anderen teilweise derartig geistige Defizite aufzeigen, dass sie einem Psychologen längere Zeit die Couch füllen könnten.

Beginnen wir mit Mephisto, der in dieser Inszenierung als Synonym für das Böse, das Schlechte gilt und quasi als Abfallprodukt aus der Schaffung des Guten entstanden ist („Wo gehobelt wird, da fallen Späne“). Mephistos Lebenselixier ist alles, was anderen den Spaß, die Freude, das Glück verderben kann. Er weidet sich an dem Schmerz und Gram der Anderen und ist nur zufrieden, wenn er irgendwo irgend etwas zerstört hat. Dies hat er sein ganzes Dasein lang praktiziert, es wurde ihm auf die Dauer zu fade und er strebt nun nach höheren Herausforderungen, die sich in der Wette mit dem Herrn widerspiegelt. Nun will er nicht mehr selber Hand anlegen, sondern einen Anderen dazu bringen (hier Faust), nach seinem Willen Schlechtes zu tun. Sich schon als sicherer Sieger sehend, begegnet er daher Faust mit einer ungemeinen Überheblichkeit und Ironie gegenüber allem, was Faust und seine Welt ausmacht. Er scheut es sogar nicht, Margarete, ein tugendhaftes, naives Mädchen, in dieses Kräftemessen mit hineinzuziehen.

Faust hingegen befindet sich zum Zeitpunkt des ersten Aufeinandertreffens mit Mephisto in einer geistigen Apokalypse, er hat erkannt, dass er trotz lebenslangen Forschens und Aneignens niemals allwissend werden wird, sich sogar Theorien und Ansichten total ändern können, so dass seine Arbeit völlig wertlos ist. Er wird niemals an den Punkt gelangen, wo er alles erklären kann, er wird nie die Welt erklären können, nie seine Herkunft. Hinzu kommt, dass es erkennt, dass er während seiner beruflichen Tätigkeit, seiner Berufung es vergessen hat, zu leben; er hat kein Geld verdient, sich keine Ruhm eingehandelt, ja, sogar nie richtig das Glück der Liebe erfahren dürfen. Da er sein Ziel mit Studien nicht erreicht, versucht er es mit übersinnlicher Kraft, ruft die Geister an, denen er sich ebenbürtig fühlt, um so die Welt aus einer anderen Sphäre sehen zu können. Faust versucht sogar, sich umzubringen, um dann sozusagen von der anderen Seite die Geheimnisse der Welt erforschen zu können. Als ihm alles verwehrt wird, bleibt ihm in seinem wahnhaften Fanatismus nur noch die Möglichkeit, sich mit dem Teufel zu verbinden, der zu diesem Zeitpunkt leichtes Spiel mit ihm hat. Nach und nach setzen sich Fausts Tugenden wieder durch, und die wahre Liebe zu Margarete kann ihren Tod zwar nicht verhindern, entreißen ihn aber aus den Fängen Mephistos und geben ihm die Chance, aus dem Erlebten die Konsequenzen zu ziehen. Das Stück endet, wie es angefangen hat, mit dem Unterschied, dass Fausts Gesinnung und Fanatismus des Anfangs sich mit Sicherheit geändert haben dürften.

Gleichgeblieben in der Reinheit des Gewissens und der Seele ist hierbei Margarete, die eigentlich am meisten von ihrer Umwelt beeinflusst wurde. Ihr Bruder Valentin, der sehr auf sie fixiert ist und sie eher als Ehepartner denn als Schwester sieht, hält sie bewusst allem weltlichen fern und lässt sich von ihr auf ein Podest stellen und anbeten. Sie hat dafür zu sorgen, dass das Haus sauber ist, abends das Essen auf dem Tisch steht, wenn er heimkommt usw. Alles andere wird von ihr festgehalten, so dass sie völlig naiv und unberechnend mit den auf sie zuströmenden Ereignissen gar nicht adäquat umgehen kann, sondern letztendlich nur Fausts wahre Liebe spürt und sich dann ihren aufkeimenden Trieben hingibt. Die daraus entstehenden Situationen kann sie nicht mehr überblicken und in der ihr zuteil werdenden Schikane (die Mitbewohner verspotten sie, ihr Bruder verflucht sie, Mephisto stiftet sie zum Mord an) ist keiner, der sie auffängt, so dass sie am Ende dem Wahnsinn verfällt. Margarete hat in diesem Drama unschuldig Schuld auf sich geladen und ist bereit, dafür zu sühnen, was sie letztendlich tötet, ihre Seele aber rettet.

Im Gegensatz zu ihr verliert Valentin nicht nur sein Leben, sondern auch seine Seele. Zunächst hält er sie vielleicht in gutem Glauben von aller Realität der Welt fern, was bewirkt, dass sie sich in realistischen Situationen außerhalb der heilen Welt nicht verhalten kann, ja, sogar damit überfordert ist, dann verflucht er sie sogar noch ob ihres Verhaltens, welches eigentlich nur menschlich ist, Valentin aber wohl in seiner Eitelkeit kränkt bzw. seine Eifersucht hervorruft. Statt ihr nun beizustehen, verstößt und verhöhnt er sie.

Um das Wankelspiel zwischen Gut, Böse, Böse und sowohl Gut als auch Böse deutlicher hervorzuheben, wird hier mit den Farben Schwarz, Weiß und Grau gearbeitet. Es sind die verschiedenen Ebenen, auf denen sich die Akteure bewegen, es sind punktuelle Handlungen, welche nach ihrer moralischen, ethischen oder meiner subjektiven Interpretation im weißen, grauen oder schwarzen Bereich angesiedelt sind. So betritt Mephisto niemals den weißen Bereich, während Margarete den schwarzen meidet, er im Herzen schlecht, sie im Herzen gut.

Oliver Schürmann

Presse

Zwischen allen Stühlen: Faust begeisterte das Publikum

Theater Laien in der Geschwister-Scholl-Realschule

Das Theater Laien begei­sterte mit einer überarbeite­ten Fassung des Faust in der Geschwister-Scholl-Real­schule in Borbeck.

Passend zum Goethe-Jahr präsentierte das Theater Lai­en das wohl bekannteste Werk des großen Dichters: die Tragödie Faust. „Das Theater Laien hat nicht direkt etwas mit der Geschwister-Scholl­-Realschule zu tun“, erklärt Marc Weitkowitz, der als Faust überzeugte. „Wir haben nur das Glück, die Aula der Schule für unsere Aufführun­gen nutzen zu dürfen.“

Faust ist das dritte Stück des Borbecker Laientheaters. „Nach den eher komödianti­schen Stücken der beiden ver­gangenen Jahre – dem Cyrano de Bergerac und dem Tol­patsch – hielten wir es an der Zeit, uns einmal ernsteren Stücken zuzuwenden. Und zum Goethe-Jahr bot sich der Faust natürlich an.“

So probten die Mitglieder der Theatergruppe, die sich überwiegend aus Schülern und Studenten zusammen­setzt, ein halbes Jahr lang zweimal in der Woche drei Stunden die Tragödie des großen Dichters.

„Oliver Schürmann, der be­reits bei unseren anderen Stücken Regie geführt hat, überarbeitete den Text Goe­thes“, berichtet Marc Weitko­witz. „Dabei wurde auch die Oper Margarethe von Charles Gounod berücksichtigt.“ So erwartete das Publikum in der Geschwister-Scholl-Real­schule eine gekonnte Verbin­dung von Text und Musik.

Bei der Inszenierung des Theater Laien standen weni­ger der teuflische Pakt zwi­schen Faust und Mephisto oder die Liebesgeschichte zwischen dem Wissenschaft­ler und Gretchen, als die Ph­sychologie der Hauptcharak­tere im Vordergrund. So bril­lierten vor allem Thomas Krieger als wahrhaft teufli­scher Mephisto und Frauke Krüger als naives Gretchen.

Einfallsreich zeigte sich die Theatergruppe auch in der Ge­staltung des Bühnenbildes: Zentrale Rolle spielten dabei einzelne Stühle, die – je nach Szene – variabel eingesetzt wur­den.

Sie dienten der Hervorhe­bung bestimmter Sequenzen des Stückes, indem der Schauspieler sich – auf einem Stuhl stehend – von den anderen Be­teiligten deutlich abhob, oder kennzeichneten die Gefängnis­mauern des Kerkers.

Auch die Unterteilung der Bühne in einen schwarzen, ei­nen grauen und einen weißen Bereich unterstrich die Stellung der einzelnen Charaktere. Me­phisto trat niemals in den weißen, den moralisch guten Bereich, während sich Gret­chen, trotz ihrer Fehltritte, nie­mals in den schwarzen Bereich verirrte.

Sowohl die Gestaltung des Bühnenbildes als auch die Leistung aller Beteiligten tru­gen zu einer rundum gelunge­nen Inszenierung des Goethe-Stoffes bei. Das erkannte auch das Publikum und dankte den Schauspielern mit anhalten­dem Applaus und begeisterten Zurufen. Bleibt zu hoffen, daß es auch im nächsten Jahr wie­der eine Aufführung des Thea­ter Laien geben wird.

Borbeck Kurier vom 21.03.1999

,Laien‘ spielen Faust

Goethe-Klassiker in der Geschwister-Scholl-Schule

BORBECK. Goethes Faust steht morgen, 19. März, noch einmal auf dem Spielplan der Schauspiel­gruppe „Theater Laien“ in der Aula der Geschwister-­Scholl-Schule. Der Vor­hang hebt sich um 19.30 Uhr.

Nach „Cyrano de Bergerac“ von Rostant und Molieres „Tol­patsch“ widmen sich die „Thea­ter Laien“ in diesem Jahr dem ersten Teil der Goethe-Tragö­die. Fast sechs Monate probte die Schauspielgruppe, die be­reits seit 1991 besteht, für die Aufführung. Präsentiert wird die Tragödie in einem Prolog und vier Akten nach einer Bearbei­tung von Oliver Schürmann.

Der Eintritt kostet für Erwach­sene acht Mark, ermäßigt fünf Mark.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 18.03.1999

Alten Faust neu inszeniert

TheaterLaien in der Geschwister-Scholl-Realschule

Was will man bei Goethes Faust eigentlich noch neu inszenie­ren?“ So fragte sich wohl manch ein Besucher, bevor er im Goethe­jahr die Aufführung der „TheaterLaien“ in der Aula der Geschwi­ster-Scholl-Realschule sah.

Eines gleich vorweg: die Auffüh­rung der „TheaterLaien“ war – in einer Überarbeitung von Oliver Schürmann, der sich an den Vorlagen von Johann Wolfgang von Goethe und Charles Gounod orientierte – grundlegend neu in Sze­ne gesetzt mit Farben und Stilmit­teln. Und in der Charakterisierung der Personen. Zum Schluß gab es daher verdient viel Applaus.

Wie es schon das Titelbild des Programmheftes treffend zeigt: Hier ging es darum, wie das Gute und das Böse am menschlichen Herzen zerren, es zu zerreißen dro­hen. Dieses Hin- und Hergerissen sein, dieses Wankelspiel zwischen Gut und Böse wird auf der Bühne durch die Farben Schwarz, Weiß und Grau dargestellt. Es sind die verschiedenen Ebenen, auf denen sich die einzelnen Akteure nach moralischen und ethischen Ge­sichtspunkten bewegen.

Dieses Bedrohliche des „Herz­zerreißens“, des Zerreißens der Person wird bereits im Prolog deut­lich. Obwohl sich diese Szene im Himmel abspielt, herrscht hier Chaos. Stühle, die im weiteren Ver­lauf der Inszenierung eine gewich­tige Rolle für das Bühnengesche­hen übernehmen werden, türmen sich im rechten und linken Teil der Bühne chaotisch aufeinander. Im Hintergrund stehen auf Stühlen zehn Personen: Menschen, die der Versuchung des Teufels anheim fallen – dies symbolisiert durch ei­nen Apfel, in den ein jeder beißt, wenn Mephisto auf ihn deutet.

Mephisto (Thomas Krieger) sieht sein Lebenselixier darin, alles, was anderen Lebensfreude, Glück be­reitet, zu verderben. Er weidet sich am Schmerz, am Gram der Ande­ren, und ist nur zufrieden, wenn er irgendwo irgend jemand zerstören kann. Doch genügt ihm das allein nicht mehr. Deswegen geht der Herr (Jörg Weitkowitz) mit ihm eine Wette ein: Mephisto darf sich bemühen, den alternden Faust (Marc Weitkowitz), der nach All­wissenheit strebt, vom rechten Weg abzuführen. Faust soll für den Teu­fel zum Werkzeug werden, das nach seinem Willen Schlechtes tut. Der Herr hingegen ist überzeugt, daß sich jeder Mensch des rechten Weges wohl bewußt ist.

Mephisto hat leichtes Spiel mit Faust. Dieser befindet sich in abso­lutem inneren Unfrieden. Er hat er­kannt, daß er trotz lebenslangen Forschens und Lernens niemals all­wissend werden wird. Mehr noch: seine bisherige Arbeit ist eigentlich wertlos, da sich Ansichten und Theorien völlig ändern können. Und: Über all seiner Arbeit hat er vergessen zu leben. Weder Ruhm noch das Glück der Liebe hatte er erfahren dürfen. So versucht er al­les, um seinem Ziel näher zu kom­men. Er übergibt sich der Magie und will sich mit Geistern verbin­den. Und tatsächlich gelingt es ihm, einen Geist (Philipp Seibel) herbei­zubeschwören. Doch dieser treibt bloß Spott mit Faust.

Auch ein Gespräch von Faust mit seinem naiven Schüler Wagner (Si­mon-Alexander Jakobi) nährt nur seine Selbstzweifel. Er versucht schließlich, sich durch einen Gifttrunk umzubringen, im letzten Moment wird er durch Chorgesänge daran gehindert. Da er für sich kei­nen Ausweg mehr sieht, beschließt er, einen Pakt mit dem Teufel ein­zugehen. – Auch äußerlich ver­wandelt sich Faust: Er, der zuvor weiß gekleidet war, trägt nun schwarz.

Wie leicht auch andere Men­schen auf den Teufel hereinfallen und sich mit ihm verbünden, zeigt die nächste Szene. Auf dem Markt­platz feiern die Soldaten mit ihren Frauen und Freundinnen ein gro­ßes Fest, bevor sie in den Krieg zie­hen. Unter ihnen auch Valentin (Björn Huestege), der seine Schwe­ster Margarete (Frauke Krüger) in die Obhut von Seibel (Sören Hue­stege) gibt.

Faust hat Margarete gesehen und sich in sie verliebt. Da Margarete ihn zunächst abweist, gibt Mephi­sto Faust den Rat, ihr Herz mit Schmuck zu erobern. Tatsächlich scheint der Plan aufzugehen, denn der Schmuck gefällt Margarete und ihrer Nachbarin Marthe (Claudia Rupp). Damit Faust und Margarete einander näher kommen können, umgarnt Mephisto Marthe.

Naiv und völlig unberechnend läßt sich Margarete auf die Liebe Fausts ein. Doch die daraus entstehende Situation kann sie nicht mehr überblicken. Dem Gespött der Straße und den Schikanen der Nachbarn ist sie schutzlos ausgelie­fert.

Als die Soldaten aus dem Krieg zurückkehren, entdeckt Valentin, daß seine Schwester Margarete hoch schwanger ist. Er macht ihr schwere Vorwürfe, da er sich in sei­ner Ehre hintergangen fühlt. Der Teufel zettelt einen Zweikampf zwischen Valentin und Faust an, in dessen Verlauf Faust Valentin tötet. Sterbend verflucht er Margarete und ihr Verhalten – und verliert dadurch seine Seele.

Dieser Fluch scheint sich zu er­füllen. Denn als Margarete ihr Neu­geborenes im Dom taufen und den Herrn um Verzeihung bitten will, jagt Mephisto ihr solche Angst ein, daß sie schließlich ihr Kind er­tränkt und selbst dem Wahnsinn verfällt.

Auch in dieser Szene sind die Stühle als Stilmittel eingesetzt. Sie, die eigentlich zur Ruhe, zum Ver­weilen einladen und dadurch im Gotteshaus Frieden finden lassen, werden für Margarete zu undurch­dringlichen Mauern: innerlich wie äußerlich. Die Stühle werden für Margarete zunehmend zum Ker­ker, in den sie sich selbst ein­schließt.

Faust will Margarete befreien. Doch Margarete, die unschuldig Schuld auf sich geladen hat, ist be­reit dafür zu sühnen. Sie wird hin­gerichtet – ihre Seele jedoch ist ge­rettet. Der Triumphruf Mephistos verhallt, während der Herr Marga­rete auf seinen Armen in sein Reich trägt.

– Die nächste Aufführung ist am 19. März um 19.30 Uhr in der Aula der Geschwister-Scholl-Realschu­le. Ein Termin, den man sich unbe­dingt vormerken sollte.

Borbecker Nachrichten vom 18.03.1999