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„Kunst“

Ein Stück für drei Schauspieler von Yasmina Reza

Aus dem Französischen von Eugen Helmlé

Original-Titel: „Art”

Aufführungen am 18. und 19. November 2016
im Veranstaltungsraum der Sparkasse Mülheim an der Ruhr,
Mülheim an der Ruhr

Serge hat sich ein Bild gekauft. Ein Ölgemälde von etwa ein Meter sechzig auf ein Meter zwanzig, ganz in Weiß. Der Untergrund ist weiß, und wenn man die Augen zusammenkneift, kann man feine weiße Querstreifen erkennen. An diesem Bild entzündet sich der Streit zwischen den drei Freunden Serge, Marc und Yvan, in dessen Verlauf sich das Leben der drei und ihre gegenseitigen Beziehungen grundlegend ändern werden. Serge begeistert sich für dieses weiße monochrome Gemälde, Marc bekämpft es auf das Heftigste und Yvan will, da er es sich mit keinem anderen verderben will, keine Stellung beziehen. Das Bild dient also als Katalysator, mit dessen Hilfe die französische Erfolgsautorin Yasmina Reza auf sehr subtile und psychologisch fein gezeichnete Weise eine Situation analysiert, die drei Männer, ihre Gefühle, ihre Befindlichkeit, ihre Freundschaft, ja ihr gesamtes bisheriges Dasein auf den Prüfstand und infrage stellt. Yvan: „Es muss etwas zwischen euch vorgefallen sein, dass ihr so irre geworden seid.“ Serge: „Ich habe ein Kunstwerk gekauft, das Marc nicht zusagt.“

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Inhalt

Serge, ein erfolgreicher und wohlhabender Dermatologe aus Paris und großer Kunstliebhaber, hat sich ein Bild gekauft, mit dem er schon seit Monaten liebäugelte. Ein Ölgemälde von etwa ein Meter sechzig auf ein Meter zwanzig, ganz in Weiß. Der Untergrund ist weiß, und wenn man die Augen zusammenkneift, kann man feine weiße Querstreifen erkennen.

Als Serges langjähriger Freund Marc, ein Ingenieur in der Aeronautik, das Bild zum ersten Mal betrachtet und erfährt, dass Serge 200.000 Euro für dieses Bild bezahlt hat, fängt er an zu lachen. „Ein selbstgefälliges, perfides Lachen“, wie Serge festzustellen meint.

Marc berichtet dem gemeinsamen Freund Yvan, ein beruflich wenig erfolgreicher Vertreter in einer Papiergroßhandlung, der kurz von der Hochzeit mit Catherine, einem netten, reizenden Mädchen aus guter Familie – der die Papiergroßhandlung gehört –, steht, von seinem Erlebnis. Yvan will selbst Serge aufsuchen, um den Streit der beiden zu deeskalieren.

Doch Serge und Marc steigern sich immer weiter in ihren Streit hinein. Serge ist von Marcs Selbstgefälligkeit genervt, Marc davon, dass sich Serge eine „weiße Scheiße“ hat kaufen können. Auch der Versuch der beiden, freundlicher miteinander umzugehen, scheitert. Yvan, von den Dramen rund um seine bevorstehende Hochzeit bereits überwältigt, kann nicht verstehen, was mit seinen beiden Freund passiert ist: „Es muss etwas zwischen euch vorgefallen sein, dass ihr so irre geworden seid.“ Bei seinen Vermittlungsversuchen gerät er ungewollt zwischen die Fronten. Serge – von Françoise geschieden und deshalb in Yvans Augen kein guter Ratgeber in Ehedingen – und Marc raten ihm sogar dazu, die Hochzeit abzusagen, weil sie Yvans Verlobte für hysterisch halten.

Als sich schließlich Serge auch noch herablassend über Marcs Lebensgefährtin Paula äußert, gerät der Streit vollkommen außer Kontrolle.

Das Bild dient den dreien als Katalysator, bei der die drei Männer ihre Gefühle, ihre Befindlichkeit, ihre Freundschaft, ja ihr gesamtes bisheriges Dasein auf den Prüfstand und infrage stellen. Dabei stehen sie vor dem Ende einer fünfzehnjährigen Freundschaft, bei der keiner der drei so recht weiß, was ihn noch mit den beiden anderen verbindet. „Eine Frage, die uns ziemlich weit führen könnte“, wie Marc feststellt.

Wird es den dreien dennoch gelingen, diese Freundschaft zu retten? Es scheint kaum noch möglich, doch dann hat Serge eine tollkühne Idee, die Yvan mit Schrecken erahnt, aber dennoch nicht glauben kann …

Thomas Krieger

Fotos

Besetzung

INSZENIERUNG UND BÜHNENBILDThomas Krieger
GESAMTLEITUNGTim Meier
  
MARCThomas Krieger
SERGETim Meier
YVANMarco Heckhoff
  
BELEUCHTUNG UND TONBurkhard Angstmann
SOUFFLEURRobert Beilstein
MALEREIENJanine Cresnik
MASKEJulia Thelen
REQUISITENTim Meier
ABENDKASSE, GARDEROBE UND GETRÄNKEVERKAUFJulia Albert, Birgit Hemmer, Roman Henke, Klaudia Henke-Albert, Britta Köster, Susanne Köster, Sigrid Schanze, Anika Winter

Autor

Yasmina Reza

Yasmina Reza wurde am 1. Mai 1959 in Paris geboren. Sie stammt aus einer weitverzweigten jüdischen Familie. Ihr Vater war Iraner, ihre Mutter Ungarin. Sie wuchs in Paris, der Wahlheimat ihrer Großeltern, auf. Musik hatte dabei einen hohen Stellenwert im Familienleben, da ihre Mutter Violinistin war und ihr Vater, von Beruf Ingenieur, Klavier spielte. Yasmina Reza kommentierte dies so: „Ich würde meine Familie sicher nicht als Musikerfamilie bezeichnen, aber als Familie von passionierten Musikliebhabern. Mein Vater pflegte sich im Morgenmantel vor uns Kinder zu stellen und Beethovens Fünfte zu dirigieren, während dazu die Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern lief.“

Nach der Schulzeit nahm sie ein Schauspielstudium auf – zunächst an der Universität Paris-Nanterre, später an der Ecole Internationale de Théâtre Jacques Lecoq. Mit Abschluss des Studiums hatte sie zahlreiche Engagements auf französischen Bühnen in Stücken zeitgenössischer und klassischer Autoren.

1987 begann sie dann selbst zu schreiben. Die Erfolge ließen nicht auf sich warten. Bereits ihre ersten beiden Stücke Gespräche nach einer Beerdigung (1987) und Reise in den Winter (1989) wurden mit dem renommierten französischen Theaterpreis Molière ausgezeichnet. Ihr drittes Stück, „Kunst“, avancierte zum absoluten Welterfolg. Es erhielt mehrere Preise und war ihr endgültiger Durchbruch und wurde mittlerweile in 40 Sprachen übersetzt. Alleine in Deutschland wurde das Stück inzwischen von über 150 Profi-Bühnen gespielt.

Mit der wachsenden Berühmtheit als Bühnenautorin blieben Angebote an die Schauspielerin Yasmina Reza aus – mit Ausnahme eines eher zufälligen Engagements in der Pariser Erst-Inszenierung ihres zweiten großen Theatererfolgs, Drei Mal Leben (2000).

Ende der 1990er-Jahre erweiterte Yasmina Reza ihr schriftstellerisches Schaffen um Drehbücher und Prosa. Ihr Prosaband Hammerklavier erschien 1998 in deutscher Übersetzung. Hierbei fühlt sie sich durch die Vorgaben der verschiedenen Gattungen nicht eingegrenzt, sondern schätzt diese sehr, da sie ihr helfen, sich auf gewisse Dinge zu konzentrieren: „Das moderne Theater ist gewissermaßen der Gipfel der Vorgaben, das Königreich der Konzentration. Sie können nicht 400 Leute auf die Bühne stellen, Sie können nicht kommentieren, was die Figuren sagen, nicht korrigieren, was sie denken, Sie verfügen nur über begrenzte Zeit. Die Kunst besteht darin, innerhalb dieses fixen Rahmens die größtmögliche Phantasie zu entwickeln.“

2005 wurde ihr der Welt-Literaturpreis verliehen. Insbesondere durch ihre Stücke „Kunst“Drei Mal Leben und Der Gott des Gemetzels (2006) wurde sie in den vergangenen Jahren zur weltweit meistgespielten zeitgenössischen Dramatikerin. Doch auch ihre Romane Eine Verzweiflung (2001), Adam Haberberg (2005), Im Schatten Arthur Schopenhauers (2006), Frühmorgens, abends oder nachts (2008) über Nicolas Sarkozy, für den sie den späteren französischen Präsidenten ein Jahr lang im Wahlkampf begleitete, und Nirgendwo (2012) zeigen ihr großes schriftstellerisches Können.

Ein verbindendes Element fast aller ihrer Hauptfiguren ist deren Herkunft aus einem großbürgerlich jüdischen Milieu. Ein anderes Element ist ihr Bezug zu den Künsten. Beides deutet auf einen autobiografischen Hintergrund, zu dem sich Reza auch ausdrücklich bekennt. In ihre Dramen werden häufig Einflüsse Tschechows gedeutet, was Reza höchstens für ihre ersten beiden Stücke gelten lässt. Die gängige Zuordnung zum Boulevardtheater – häufig in Deutschland – weist sie entschieden zurück. Zu dieser Etikettierung kommt es am ehesten dann, wenn seitens der Inszenierung aus Rezas Witz Klamauk gemacht, wenn nicht wahrgenommen wird, wie vielschichtig ihre Stücke, wie nah auch am tödlichen Ernst sie sind. Gerade ihre besten Stücke sind inhaltsreich und konfliktgeladen, ihre Figuren lebendig und emotional. „Für mich ist Schreiben eine Erforschung des Menschlichen, ein Erschließen des Unbekannten. Das Schreiben erlaubt mir, andere Leben zu leben.“

Gemeinsam mit Roman Polanski verfasste sie das Drehbuch zur Verfilmung ihres Theaterstücks Der Gott des Gemetzels im Jahr 2011. Dies brachte ihr u. a. den französischen Filmpreis César ein.

Ihr jüngstes Stück Bella Figura wurde Mitte Mai 2015 auf der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin uraufgeführt, und somit am selben Ort, an dem schon zwanzig Jahre zuvor die deutschsprachige Erstaufführung von „Kunst“ stattfand.

Im Zusammenhang mit dem Kosmopolitismus ihrer Familie bekannte Reza, ihre einzige Heimat sei die französische Sprache.

Yasmina Reza lebt nach wie vor in Paris und hat eine Tochter und einen Sohn.

Thomas Krieger

Aus dem Programmheft

Foyer

Sehr geehrtes Publikum,

schön, dass Sie uns nach Mülheim gefolgt sind! Oder haben Sie uns in Mülheim neu entdeckt? Wie auch immer: Ich heiße Sie herzlich in der Sparkasse Mülheim an der Ruhr zu unserem Stück „Kunst“ von Yasmina Reza willkommen!

Die Aufführung dieses Stücks ist in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes: Zunächst bildet sie den Abschluss unseres Jubiläumsjahres (25 Jahre), in dem wir mit Ibsens John Gabriel Borkman und Mein Freund Harvey von Mary Chase bereits zwei spannende Produktionen hinter uns gebracht haben. Zweitens führen wir zum ersten Mal in der Sparkasse Mülheim an der Ruhr auf, quasi in exklusiver Atmosphäre in einem Raum mit gerade mal 100 Plätzen. Und drittens bekommen Sie heute Abend das bisher kleinste Ensemble der TheaterLaien-Geschichte zu sehen – drei Schauspieler. Lustigerweise wurde der bisherige Rekord (vier Schauspieler) ebenfalls mit einem Stück von Yasmina Reza aufgestellt: Im April 2013 führten Marc Weitkowitz, Gerlinde Stolz, Thomas Krieger und Sabine Drees in der Aula der Geschwister-Scholl-Realschule Rezas Der Gott des Gemetzels auf. Da war doch noch was … Ach ja: Am Tag der Premiere feiert Regisseur und Schauspieler Thomas Krieger seinen **. Geburtstag (genaues Alter nicht bekannt). Bereits 2012 stand er an seinem Ehrentag beim Stück Feenzauber auf der Bühne und feierte seinen 40.! Hust …

Doch selbstverständlich sind nicht nur die Umstände besonders, auch das Stück, das wir Ihnen heute präsentieren, hat es in sich! Typisch rezaesk – ich hoffe, Kafka verzeiht mir – zeigt es schonungslos die Abgründe zwischen-menschlichen Verhaltens sowie eine von vornherein zum Scheitern verurteilte Kommunikation.

Wie immer möchte ich mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die zum Gelingen dieses Projekts beigetragen haben. Zuerst natürlich bei unserem heutigen Gastgeber, der Sparkasse Mülheim an der Ruhr. Dann bei unserem Stammspielort, dem Mädchengymnasium Borbeck, dessen Aula wir auch bei diesem Projekt als Probenraum nutzen durften. Danke auch an die Jugend der Franziskuskirche (Essen-Bedingra-de), deren Räumlichkeiten uns seit Jahren in den Schulferien als Ausweichort zur Verfügung stehen. Und es gibt viele Vereinsmitglieder, die nicht auf der Bühne zu sehen sind, die aber durch ihr Engagement in vielen „Backstage“-Bereichen diesen Abend erst möglich machen. Herzlichen Dank dafür!!! Zum Schluss danke ich Ihnen, liebes Publikum, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben! Ich hoffe, Sie genießen den Abend und das Stück und werden uns bald wieder mit Ihrer Anwesenheit erfreuen! Ende März und Anfang April spielen wir wieder im MGB: Den Spionage-Thriller Ein Haufen Lügen. Gute Unterhaltung und einen schönen Abend wünscht Ihnen

Ihr Tim Meier, Gesamtleiter

Anführungszeichen

Ich weiß nicht, ob es Ihnen bewusst aufgefallen ist: Der Titel des heutigen Stücks lautet „Kunst“, nicht etwa Kunst. Die Anführungszeichen sind also Teil des Titels, was dem Stück aus meiner Sicht noch einmal eine besondere Note verleiht. Dabei wird nicht nur der besondere Humor, der diesem Stück zugrunde liegt, unterstrichen, sondern in gewissem Sinne auch zugelassen, dass eine Distanz zum Kunstbegriff an sich entsteht.

Handelt es sich bei dem Bild, das Serge sich gekauft hat, überhaupt um Kunst? Eine Frage, die von Marc eindeutig verneint werden würde, aber keinesfalls von Serge. Und eigentlich auch nicht von Yvan. Und wie sehen Sie es?

Als weitere Pointe berichtete mir dann Janine Cresnik, die für unsere Aufführung das weiße Bild herstellte, dass sie im Essener Folkwang-Museum vor kurzem ein ebensolches weißes Gemälde als Ausstellungsobjekt gesehen hat. Was wenig verwundert, denn das Stück basiert auf einer wahren Begebenheit im Leben der Autorin. Ein Freund von ihr hatte sich – wie Serge – ein weißes Bild für 200.000 Francs (bei uns sind es Euro) gekauft. Sie lachte – wie Marc – los, ihr Freund lachte mit, sie blieben Freunde. Und Yasmina Reza stellte sich vor, wie es gewesen wäre, wenn er nicht mitgelacht hätte …

Das Ergebnis dieser Überlegungen können Sie heute Abend betrachten.

Tatsächlich werden sogar zwei nahezu weiße Gemälde im Folkwang-Museum ausgestellt. Hier ist zunächst das Werk Detail 680350-707495 des französisch-polnischen Künstlers Roman Opalka zu nennen. Dieses Werk gehört zu einer ganzen Reihe von Bildern: 1965 begann er mit dieser Serie, die daraus bestand, dass er, beginnend mit der Ziffer 1, fortlaufend Zahlen auf große Bildtafeln niederschrieb. Bei der Grundierung der Bilder dieser Serie hellte Opalka die verwendete Farbe fortlaufend um ein geringes Maß mit Weiß auf. Das ausgestellte Werk zeigt also die Zahlen 680350 bis 707495 aus dieser Reihe.

Übrigens wurden auf dem Kunstmarkt für Opalkas Werke bis zu 1,2 Millionen US-Dollar bezahlt.

Das andere Exponat trägt den Titel White Painting und stammt von Sam Francis. Dieser US-amerikanische Künstler reduzierte bei seinen weißen Bildern zu Beginn der 1950er-Jahre die Farbe bisweilen auf fast nichts und trug dünnflüssig biomorphe Formen auf die Leinwand auf.

Doch auch außerhalb des Folkwang-Museums gibt es augenscheinlich eine Fülle von weißen Bildern, hinter denen – wie von Yvan im Stück „Kunst“ festgestellt wird – ein Gedanke steckt.

In der ZEIT online vom 6. Juni 2006 schreibt Ute Vorkoeper beispielsweise Folgendes über ein weißes Bild des chinesischen Künstlers Qui Shihua: „Ein Rechteck aus milchigem Weiß hängt an der Wand. Von Nahem sieht man nur raue Leinwand und weiße Farbspuren, mal lasierend (durchsichtig), mal dichter aufgetragen. Doch wer sich ungeduldig wegdreht, verpasst das Bild, denn es braucht etwas Zeit, um sich zu entwickeln. Qui Shihuas Farbfläche ist nahezu magisch. Ähnlich wie auf weißem Fotopapier im Entwicklerbad ein Foto entsteht, teilt sich allmählich das Weiß und eine Horizontlinie wird sichtbar. Darüber kann man hellere Kanten und dunklere Flächen unterscheiden. Was man zunächst nur ahnte, wird bald klar: Hinter lichten Wolken verborgen scheint eine Sonne auf einen leeren Ozean. Man hat das Motiv. Und doch hat man es nicht. Denn sobald man versucht, es genauer anzusehen und näher heran zu gehen, verschwimmt es wieder und muss wieder neu entstehen. Das Bild kommt und vergeht, weil die Bildfläche doppelt unbestimmt ist. Sie ist so leer wie mit einem Motiv gefüllt, das ebenfalls eine menschen- und dingleere Ferne zeigt. Die weite Landschaft hat der Künstler mit minimalen malerischen Mitteln dargestellt. Verdichtete Farbe um eine waagerechte Linie erzeugt den Horizont, mal dunkleres, mal helleres Weiß bilden Meer und Wolken. Das Weiß der Fläche und die Schlichtheit der Landschaft wirken dabei widersprüchlich zusammen. Nach anfänglichem Unverständnis taucht man ab, verschwindet sehnsüchtig in der Ferne und steht plötzlich wieder vor banaler Farbe und grobem Malgrund. Die Betrachter erleben auf Abweisung erst Verführung, dann Meditation und erneute Abweisung. Und wieder von vorn.“

Ausschließlich weiße Bilder produziert der Amerikaner Robert Ryman seit mehr als vierzig Jahren. Mit weißer Farbe auf verschiedenen Untergründen will er das Bild als Bild sichtbar machen. Jedes seiner Bilder zeigt nichts anderes als sich selbst, also ein Gemisch aus Farbmaterial, Pinselstrich, Malgrund, das stets eine etwas andere Stimmungslage hervorruft als sein Vorgängerbild. In sich abgeschlossen und ohne Verweis auf irgendetwas außerhalb des Bildes werden Rymans Weißflächen als eigene Wirklichkeit und als wahre Bilder verstanden.

Doch warum kauft sich jemand ein weißes Bild? Darüber, wie das Geschäft mit der abstrakten Kunst  funktioniert, hat sich der Journalist  Til Biermann auseinandergesetzt. In der Welt schrieb er am 18. Januar 2014 Folgendes: „Auf dem modernen Kunstmarkt werden weiße Leinwände verschoben, und es geht um viel Geld. Künstler, Galeristen und Betrachter mögen das, obwohl eigentlich schon ein Zehnjähriger dazu fähig wäre. […] Aber diese Kunstwerke sind mitunter viele Millionen Euro wert. Wie kommt dieser Irrsinn zustande? Wie wird entschieden, dass ein Stück unbearbeitetes Brett, das in einer feinen Berliner Galerie an die Wand genagelt wurde, Kunst ist, während das Gleiche, wenn es jener Zehnjährige machen würde, als Idiotie abgestempelt würde? Wer entscheidet, dass die angebrochene Glasscheibe, die daneben an der Wand lehnt, Kunst und viel Geld wert ist? Ein Professor, der eine Gruppe Hamburger Kunststudenten in den tieferen Sinn moderner Kunst einführt, erklärt: ,Von 5000 Leuten, die ernsthaft und in Vollzeit versuchen, es auf dem Kunstmarkt zu schaffen, schafft es vielleicht einer ins große Geschäft.’ Meistens, so der Professor, gehe es los mit einem Preis, der zu vergeben ist. In der fünfköpfigen Preis-Jury gebe es dann ein Mitglied, das in so einem Werk eines jungen Künstlers ,etwas’ sieht. ,Das hat irgendwas’, sagt das eine Mitglied dann einem Kollegen. Da die Qualität objektiv nicht zu bewerten ist, hat der Künstler den Preis schon gewonnen, wenn in der heillos zerstrittenen Jury sich zumindest zwei Mitglieder einig sind. Das Bild […] kommt dann zu einer Auktion, etwa zu ,Sotheby’s’ nach London. Hier entscheidet sich dann der Marktwert, der dem Künstler künftig zugesprochen werden könnte. ,Wenn unter den Mitbietern zwei russische Oligarchen sind, die sich gegenseitig das Kunstwerk nicht gönnen, hat der Künstler Glück gehabt’, erzählt der Professor. Wenn dann der erzielte Preis, sagen wir 20.000 Pfund, sich in mehreren Auktionen für Werke des Künstlers bestätigt, ist der vorläufige Marktwert festgesetzt. […] Was […] größtenteils angeboten wird, kann man eigentlich nur als einen großen, wunderbaren Betrug bezeichnen, bei dem sich alle Beteiligten bereitwillig und mit Gewinn beteiligen. Am Anfang steht der Künstler, der voller Ernst erzählt, er habe mit dem schwarzen Quadrat und dem kleineren roten Quadrat, die auf einer Leinwand im [Museum of Modern Art in New York] zu sehen sind, ,den Ring des Horizonts zerstört’, und sei ,dem Kreis der Dinge entkommen vom Horizont-Ring, der den Künstler und Naturformen einschließt’ (Kasimir Malewitsch). Der Betrachter, der darin etwas anderes sieht als pseudophilosophisches Gerede und sich freut, nimmt auch mit Gewinn an dem Betrug teil, er freut sich schließlich. Wie auch der Kunsthändler, der das Bild kauft, um es dann womöglich mit riesigem Profit weiterzuverkaufen. Das zeigt: Der Betrug funktioniert. Er ist eine Win-Win-Situation, alle profitieren. Der Künstler hat ein schönes Leben und kann sich austoben, der Betrachter freut sich wie ein Kind über Unbestimmtes und kann sich ,arty’ fühlen, und der Galerist wird reich.“

Auch dies hat Yasmina Reza in ihr Stück eingearbeitet, indem sie Serge sagen lässt: „Der Markt muss in Bewegung bleiben.“

Bleibt also am Ende die Frage, die nur Sie für sich beantworten können: „Ist das „Kunst“?“

Thomas Krieger

Presse

Dieses Mal Minimalismus

TheaterLaien mit „Kunst“ in Mülheim auf der Bühne

Auf ungewohntes Terrain begab sich das Ensemble des TheaterLaien zum Abschluss seines Jubiläumsjahres: Es brachte Yasmina Rezas Stück „Kunst“ in Mülheim auf die Bühne.

Regisseur Thomas Krieger, der auch als „Marc“ auf der Bühne stand, hatte „Kunst“ über drei Freunde, die in Streit geraten, weil einer ein weißes Bild für 200.000 Euro kauft, ein anderer das zum Lachen findet und ein dritter zwischen die Fronten gerät, schon lange aufführen wollen.

Zu seinem 44. Geburtstag war es dann endlich so weit, und das bedeutet für Ensemble und Zuschauer auch, dass einiges anders war als bei bisherigen TheaterLaien-Produktionen.

Auf den ersten Blick unterschied sich der Spielort: Die Schauspieler laden normalerweise in die Aula des Borbecker Mädchengymnasiums, doch die Bühne dieses Stückes stand im Veranstaltungsraum der Mülheimer Sparkasse.

Das hatte auch zur Folge, dass der Rahmen der Aufführung intimer war als gewohnt. Nur rund 100 Zuschauer konnten den Schauspielern zusehen. Auch die Kulissen glichen nicht dem, was das Publikum beim TheaterLaien gewohnt ist: Wo sonst aufwändige Kulissen mit viel Liebe zum Detail die Bühne zu einem echten Ort machen, setzte das Ensemble dieses Mal auf Minimalismus. Vor einem schwarzen Vorhang standen ein schwarzes Sofe, ein schwarzer Tisch und ein schwarzer Sessel – ein wunderbarer Kontrast zu dem weißen Bild, um das sich der Streit der drei Freunde immer wieder drehte und das man zu Anschauungszwecken darum auch immer wieder auf die Bühne holte. Zu guter Letzt standen bei „Kunst“ auch nur drei Schauspieler auf der Bühne: Niemals zuvor in 25 Jahren Vereinsgeschichte hat das TheaterLaien ein Stück mit so wenigen Schauspielern auf die Bühne gebracht. Aber gerade diese drei Schauspieler sorgten dafür, dass trotz der Andershaftigkeit der Umstände dieses Stücks das gute Gefühl einer TheaterLaien-Produktion nicht fehlte: Hier standen drei der erfahrensten, besten und beliebtesten Schauspieler des Ensembles auf der Bühne und zogen das Publikum ab der ersten Minute in ihren Bann.

Thomas Krieger gab „Marc“, der von sich selbst eingenommen ist, sich selbst als „Menschenfeind“ bezeichnet, sich manchmal auch so verhält und kein Verständnis für das Kunst-Interesse seines Freundes Serge hat, Tim Meier spielte „Serge“, den Kunstsammler, für den das Lachen seines Freundes über sein weißen Bild mehr symbolisiert als nur unterschiedlichen Geschmack, und Marco Heckhoff verkörperte den unsicheren „Yvan“, der versucht zwischen seinen Freunden zu vermitteln, die beiden anderen damit aber gegen sich aufbringt.

Alle drei brillierten in ihren Rollen, überzeugten in Körpersprache, Mimik und Gestik genauso wie mit den – oft extrem langen – Sprechparts auf ganzer Linie. Das kluge Stück bot den dreien die Möglichkeit, ihr ganzes Talent auszuspielen: Streiten, aufeinander zugehen, Gefühle zeigen. Witzige Brüche in Handlung und Sprache und Teilszenen, in denen die Schauspieler das Geschehen anhielten, um die Zuschauer an den Gedanken der Charaktere teilzuhaben zu lassen, kamen beim Publikum gut an.

Am Ende waren sich darum alle einig: Das Warten auf dieses besondere Drei-Mann-Stück hat sich nicht nur für Thomas Krieger gelohnt. Der bekam als Geburtstagskind zum Abschluss nicht nur tosenden Applaus und ein Geburtstagsständchen, sondern auch ein zum Stück passendes Geschenk überreicht: Ein weißes T-Shirt.

Borbecker Nachrichten vom 02.12.2016

„Theaterlaien“ aus Borbeck spielen in der Sparkasse

Die „Theaterlaien“ aus Essen-Borbeck sind am 18. und 19. November, jeweils 19 Uhr, mit dem Stück „Kunst“ zu Gast in der Mülheimer Sparkasse am Berliner Platz.

Das Theater, das sich in Borbeck bereits seit 25 Jahren großer Beliebtheit erfreut, verwirklicht mit dieser Aufführung ein lang ersehntes Drei-Personen-Stück mit drei seiner besten Schauspieler: Thomas Krieger ist Allround-Talent und seit Gründung des Vereins dabei. Tim Meier hat sich als Regisseur, Sänger und Schauspieler einen Namen gemacht. Und Marco Heckhoff glänzt mit schauspielerischem Können und Leidenschaft.

Das Trio spielt in der Geschichte der französischen Erfolgsautorin Yasmina Reza drei Freunde, die über ein Ölgemälde in Streit geraten. In dessen Verlauf ändert sich ihr Leben und die Beziehungen untereinander grundlegend.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 09.11.2016

Theater in der Sparkasse

TheaterLaien präsentiert neues Theaterstück

Die Theatergruppe „TheaterLaien“ aus Essen-Borbeck ist am Freitag und Samstag, 18. und 19. November, um jeweils 19 Uhr mit dem Stück „Kunst“ zu Gast im Veranstaltungsraum der Sparkassen-Hauptfiliale, Berliner Platz 1.

Die „TheaterLaien“, die sich in Borbeck bereits seit 25 Jahren großer Beliebtheit erfreuen, verwirklichen mit dieser Aufführung ein lang ersehntes Drei-Personen-Stück, dass sie mit drei ihrer besten Schauspieler besetzt. Karten für 10 und ermäßigt 7 Euro gibt es unter Tel. 0201/6141645, www.theaterlaien.de und an der Abendkasse. Die Abendkasse sowie der Getränke- und Brezelverkauf sind ab 18 Uhr geöffnet. Einlass in den Veranstaltungsraum ist ab 18.45 Uhr.

Mülheimer Woche vom 05.11.2016